Wolf Biermann

Köln, 1976


Köln, 13. November 1976. Der Liedermacher Wolf Biermann hat gerade ein Konzert gespielt. Glücklich und gerührt, die eine Hand am Herzen, die andere an der Gitarre, dreht er sich zum Bühnenausgang. Die Fotografin Barbara Klemm hat den Moment eingefangen.

Es ist kein gewöhnliches Konzert, das Biermann in Köln gegeben hat: In seinem Heimatland, der DDR, hat der Musiker wegen systemkritischer Texte seit elf Jahren Auftrittsverbot. Dass er nun mit Genehmigung der SED-Führung eine Konzertreise durch die Bundesrepublik antreten darf, gilt als Sensation. Der Auftritt in der Kölner Sporthalle ist ausverkauft: 7000 Menschen, vor einem größeren Publikum hat Biermann selten gespielt. Statt der geplanten zwei dauert das Konzert vier Stunden, und Biermann hält sich mit Kritik an der DDR nicht zurück.

Barbara Klemm, die für die FAZ fotografiert, steht im Publikum. Sie spürt, dass sie einem besonderen Ereignis beiwohnt. Als das Konzert zu Ende geht, rennt sie hinter die Bühne, um Biermann mit seinen Zuhörern zu fotografieren. In der Garderobe trifft sie Biermanns Mutter. Der Musiker ist beglückt, aber auch nervös: Mama, die können mir doch nichts wollen?, fragt er. Die Fotografin ahnt da bereits, dass der Auftritt Folgen haben wird.

Drei Tage nach dem Konzert beschließt die SED Biermanns Ausbürgerung aus der DDR. Die Entscheidung zieht einen Sturm der Empörung nach sich – auf beiden Seiten der Grenze. In der DDR solidarisieren sich etliche Kulturschaffende mit Biermann. Viele wenden sich desillusioniert von der DDR ab, die Autorität des Regimes beginnt zu bröckeln.

Als Barbara Klemm in der Kölner Sporthalle auf den Auslöser drückt, sind die Konsequenzen des Konzerts höchstens zu erahnen. Ihr Bild fängt ein, wie Biermann „für einen kurzen Moment alles haben darf, ein freier Mann, der auf einer Stecknadel balanciert“ (FAZ).