Sprachpurismus und Nationalsozialismus
Als die Nationalsozialisten die Macht übernahmen, wähnten sich radikale „Sprachreiniger“ am Ziel. Der erhoffte „Angriff“ des Regimes auf „die vermanschte Sprache“ blieb jedoch aus. Verblüfft mussten die Sprachpuristen zur Kenntnis nehmen, dass selbst Hitler in seinen Reden Fremdwörter gebrauchte. „Wer Deutsche führen will, muß deutsch zu ihnen reden“, mahnte daraufhin der Deutsche Sprachverein und unterbreitete einen Eindeutschungsvorschlag: „Wir sind davon überzeugt, daß unser Goebbels noch einmal so freundlich lächeln wird, wenn der Führer ihn in ‚Werbeminister‘ umtauft.“
Jedoch rügte ausgerechnet Goebbels die „deutschtümelnden Sprachakrobaten“, denn hinter dem Fremdwortgebrauch der NSDAP stand durchaus politisches Kalkül. Der jüdische Romanist Victor Klemperer schrieb dazu: „Das Fremdwort imponiert, es imponiert um so mehr, je weniger es verstanden wird; in seinem Nichtbegriffenwerden beirrt und betäubt es, übertönt es eben das Denken. […] Goebbels weiß um die Magie des Fremdwortes.“
Als die Kritik des Regimes am Sprachverein lauter wurde, ruderte dieser rasch zurück: „Auch das wissen wir, daß die vaterländische Gesinnung sich niemals beurteilen läßt nach dem Gebrauch von Fremdwörtern“. Offiziell abgeblasen wurde die „Fremdwortjagd“ schließlich durch einen „Führererlass“ vom 19. November 1940, der sich gegen „gewaltsame Eindeutschungen“ aussprach.
Audio-Datei: Arier und Rasse
„Der arische Typus“
Gegner der Nationalsozialisten amüsierten sich in Witzen und Karikaturen darüber, dass die hochrangigen Vertreter des NS-Regimes ihren eigenen „Rasseidealen“ überhaupt nicht entsprachen. Die gezeigte Karikatur stammt aus der Feder des bekannten deutschen Illustrators Walter Trier, der 1936 nach London emigrierte. Im Auftrag des britischen Informationsministeriums zeichnete er satirische Flugblätter, die in mehrere Sprachen übersetzt und von der Royal Air Force über deutschem Gebiet abgeworfen wurden.
Ewald Geißler
Sprachpflege als Rassenpflicht
Berlin, 1937
„Sprachpflege als Rassenpflicht“
Ewald Geißler (1880–1946) war ab 1932 Professor für deutsche Sprechkunst an der Universität Erlangen. Sein Aufsatz „Sprachpflege als Rassenpflicht“ erschien 1937 im Verlag des Deutschen Sprachvereins. Geißler, ein überzeugter Nationalsozialist, fordert darin die „Aufnordung“ der deutschen Sprache. Wörter aus anderen Sprachen ließen sich nicht integrieren: „Ein Wort der Fremde kann ich erlernt haben, ich kann es dann mit dem Gehirne verstehen, aber ich kann es nicht aus Herzwurzeln nähren.“ Besonders suspekt erscheinen Geißler politische Begriffe wie Proletariat, Republik und Präsident, denen er die „urdeutschen“ Wörter „Volk“, „Gemeinschaft“ und „Führer“ gegenüberstellt. Die zahlreichen Fremdwörter des NS-Jargons ignoriert Geißler geflissentlich.
Erlass zum Fremdwortgebrauch, 1940 (Repro)
© Archiv der Universität Greifswald
Erlass zum Fremdwortgebrauch
Der Erlass des „Reichsministers für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung“ schob der Eindeutschungsarbeit des Deutschen Sprachvereins einen Riegel vor: „Der Führer wünscht nicht derartige gewaltsame Eindeutschungen und billigt nicht die künstliche Ersetzung längst ins Deutsche eingebürgerter Fremdworte durch nicht aus dem Geiste der deutschen Sprache geborene und den Sinn der Fremdworte meist nur unvollkommen wiedergebende Wörter.“